Das Pädagogische Konzept

Der Bildungsauftrag im Kindergarten

Kindertageseinrichtungen haben neben dem Betreuungs- und Erziehungsauftrag auch einen eigenen Bildungsauftrag, der für Niedersachsen im Nds. Kindertagesstättengesetz (KiTaG) ausgewiesen ist.

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§ 2 Auftrag der Tageseinrichtung (Auszug)
(1) Tageseinrichtungen dienen der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern. Sie haben einen eigenen Erziehungs- und Bildungsauftrag. Tageseinrichtungen sollen insbesondere
die Kinder in ihrer Persönlichkeit stärken,

sie in sozial verantwortliches Handeln einführen,

ihnen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die eine eigenständige Lebensbewältigung im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten des Kindes fördern,

den natürlichen Wissensdrang und die Freude am Leben pflegen,

die Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen erzieherisch fördern und

den Umgang von behinderten und nichtbehinderten Kindern, sowie von Kindern unterschiedlicher Herkunft und Prägung untereinander fördern.
(2) Das Recht der Träger der freien Jugendhilfe, ihre Tageseinrichtungen entsprechend ihrer erzieherischen Grundrichtung in eigener Verantwortung zu gestalten, bleibt unberührt.
(3) Zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages sind die Tageseinrichtungen so zu gestalten, dass sie als anregender Lebensraum dem Bedürfnis der Kinder nach Begegnung mit anderen Kindern, Eigentätigkeit im Spiel, Bewegung, Ruhe, Geborgenheit, neuen Erfahrungen und Erweiterung der eigenen Möglichkeiten gerecht werden können.

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Der Bildungsauftrag des Kindergartens besteht über die gesamte Zeit des Kindergartenbesuches – also nicht nur für das letzte Jahr vor dem Schuleintritt.
Lernen im Kindergarten unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht vom Lernen in der Schule:

· Im Kindergarten kommt es nicht darauf an, bestimmtes Wissen oder bestimmte Fähigkeiten in einem bestimmten Zeitraum zu erzielen;

· Lernen im Kindergarten lässt Raum für individuelle Entwicklungsunterschiede, Bedürfnisse, Möglichkeiten und Interessen der Kinder;

· Das soziale Lernen hat Vorrang vor dem sachbezogenen Lernen;

· Die altersgemischten Gruppen im Kindergarten ermöglichen besonders viele Erfahrungen hinsichtlich des sozialen Lernens;

· Die pädagogische Arbeit im Kindergarten unterstützt die Förderung der Gesamtpersönlichkeit der Kinder in allen Bereichen und ist nicht auf eine einseitige Förderung im kognitiven Bereich ausgerichtet;
Der Kindergarten ist somit der Ort, an dem die Grundlagen für das kognitive (schulische) Lernen gelegt werden.

Die Erzieherinnen haben die Aufgabe, die Neugierde und den Wissensdrang der Kinder zu pflegen und zu fördern. Dies geschieht durch Angebote und Anregungen, die den Kindern immer wieder Anstöße für eigene, weitere Aktivitäten geben.

Der spätere Erfolg des schulischen Lernens hängt davon ab, inwieweit die Kinder Neugierde, Motivation und Erfolge realisieren können, um so einen dauerhaften Spaß am Lernen zu entfalten.
Neben den gesetzlichen Grundlagen ist der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder (Fassung vom 12.01.2005), erstellt vom Kultusministerium Niedersachsen, wesentlicher Bestanteil unserer Arbeit im Waldkindergarten.
Allgemeine pädagogische Aspekte

Das Anliegen des Waldkindergartens

Der Waldkindergarten bietet optimale Voraussetzungen um alle Persönlichkeitsbereiche von Kindern zu fördern, deren Entfaltung unbedingt wichtig ist, und ein Kind so zu stabilisieren, dass es sich später den vielfältigen gesellschaftlichen Anforderungen gewachsen zeigt. Im Waldkindergarten kann ganzheitliche Erziehung besonders gut verwirklicht werden.
Der Waldkindergarten stellt eine Alternative und/oder eine Ergänzung zum allgemeinen Kindergarten dar.
Ein Erfahrungsaustausch mit den anderen Kindertageseinrichtungen vor Ort, der Grundschule, den Fachschulen für Sozialpädagogik, mit psychologischen und medizinischen Fachkräften ist für die Weiterentwicklung des Waldkindergartens besonders wichtig und wird regelmäßig gepflegt.
Die pädagogischen Chancen des Waldkindergartens
1. Platz haben zum „Kindsein“ im wahrsten Sinne des Wortes: Raum, sich frei zu bewegen, Platz zum Lachen, Weinen, Tanzen, Träumen… Der natürliche Bewegungsdrang der Kinder kann ungehindert ausgelebt werden.
2. Die erholsame Umgebung des Waldes stärkt die körperlich-seelische Gesundheit. Drei bis vier Stunden täglich frische Luft bedeuten weniger Infektionskrankheiten, die gewöhnlich in geschlossenen, warmen Räumen übertragen werden. In Lebensfreude Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, stärkt aus medizinischer Sicht das Immunsystem.
3. Die Zunahme an Kraft und Ausdauer, an Sicherheit und Selbstvertrauen der Kinder beim freien Spielen zeigt sich ganz deutlich, wenn sie z.B. auf dem unebenen Waldboden laufen und springen, wenn sie auf Bäume klettern, an Ästen hangeln oder auf umgestürzten Bäumen balancieren.
4. Beim freien Spiel ohne Spielsachen wird die Fantasie der Kinder gefördert und gefordert, sie äußern ihre Wünsche und Bedürfnisse, erkennen diejenigen der anderen Spielteilnehmer und respektieren sie. Sie lernen, sich zu einigen (Erwerb von sprachlicher Kompetenz), damit das Spiel beginnen kann und Spaß macht.
5. In einem nicht reizüberfluteten Außenbereich wie dem Wald können innere Kräfte besser wahrgenommen und erprobt werden. Dabei lässt die geringe räumliche Einschränkung auch innere Grenzen besser erleben und ausdrücken. Das Spiel in freier Natur lässt die Kinder selbst ihre Grenzen und Entwicklungsfortschritte deutlicher erfahren.
6. Es gibt keinen hohen Lärmpegel wie in geschlossenen Räumen. Die Kinder erleben wieder Stille. Stille ist in der heutigen Zeit ungewohnt. Sie ist aber von unschätzbarem Wert z.B. für die allgemeine Differenzierung des Wahrnehmungsvermögens, das Finden von Stabilität durch innere Ruhe und Konzentrationsfähigkeit. Gerade der Wald ist ideal, Stille zu erleben, zu lauschen und sich für feinste innere Vorgänge zu sensibilisieren.
7. Die natürliche Umgebung wirkt ganzheitlich durch das Erleben der wechselseitigen Abhängigkeiten. Natur wird unmittelbar erlebt und begriffen, der behutsame Umgang mit jeder Art von Leben wird erfahren und gelernt. Der Kreislauf der Natur wird direkt wahrgenommen und erlebt.
8. Unmittelbares Erleben, eigene Erfahrungen mit allen Sinnen anstelle von „Projektionen aus zweiter Hand“ geben Selbstwertgefühl und insbesondere emotionale Stabilität. Sie sind die besten Voraussetzungen, um später in der Gesellschaft konstruktiv und kreativ zu sein.
9. Im Waldkindergarten können die Kinder eher die Notwendigkeit von Regeln und Geboten erfahren, ihren Sinn erkennen und sie nachvollziehen, weil sie mit unmittelbarem Erleben verbunden sind. Regeln und Gebote können im Wald auf ein Mindestmaß reduziert werden.
10. Ein Kindergarten ohne „Türen und Wände“ hilft, dass sich Aggressionen gar nicht erst aufstauen und zu einem Stresszustand führen, sondern sich auf angemessene Weise kreativ umwandeln. Die kleine überschaubare Gruppe bietet ideale Möglichkeiten, soziale Konflikte konstruktiv zu lösen.
11. Der Wald bietet einen Schonraum, von dem aus die nähere Umgebung anschaulich und lebensnah erfahren wird. Auf der Basis von Geborgenheit und Sicherheit können die Kinder dann die weitere Umwelt entdecken und ihre Abenteuerlust ausleben. Dabei werden Intuition und Phantasie besonders durch die Vielfalt der Natur angesprochen und kreative Kräfte geweckt, die zudem durch besondere Handlungsangebote unterstützt werden. Das tägliche Erleben des Waldes in dieser Art und Weise ist für Kinder ein wirkliches Abenteuer.
12. Aus einigen oben erwähnten Aspekten ergibt sich, dass im Waldkindergarten vielen Verhaltensauffälligkeiten vorgebeugt und entgegengewirkt werden kann.
Schulfähigkeit

Vor dem Hintergrund eines lebensorientierten Ansatzes ist ein wesentliches Ziel unserer pädagogischen Arbeit im Waldkindergarten, den Kindern einen breiten Rahmen zu bieten, der es ihnen ermöglicht, ihre Fähigkeiten und Begabungen in sozialer, emotionaler, motorischer und kognitiver Hinsicht zu entwickeln.
Die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit des Kindes, der Aufbau eines positiven Selbstbildes und das Erlernen der Fähigkeiten, die Kinder beim Hineinwachsen in unsere Welt benötigen, sind unabdingbare Voraussetzungen für die Entwicklung von Schulfähigkeit.
Bei der Beurteilung von Schulfähigkeit bei Kindern werden häufig zwei Dinge miteinander verwechselt: Begabung und Schulfähigkeit.
Unter dem Begriff Begabung verstehen wir die Leistungskapazität des Kindes, also seine Möglichkeiten sich sprachlich auszudrücken, logisches Denken umzusetzen, Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und Sinnzusammenhänge zu erfassen.
Der Begriff Schulfähigkeit meint dagegen etwas anderes. Das Kind soll neue und unbekannte Anforderungen und Aufgaben, aufgrund seiner stabilen Selbstsicherheit, neugierig, aufmerksam und angstfrei aufgreifen und mit Interesse und Konzentration nach Lösungen suchen, um sie dann zu finden.
Begabung ist also eine kognitive Leistungsmöglichkeit, während sich Schulfähigkeit durch reale Handlung des Kindes ausdrückt.
Unter den vielen Aspekten, die bei der Beurteilung der Schulfähigkeit zu berücksichtigen sind, verdienen folgende besondere Aufmerksamkeit:

Zur Schulfähigkeit gehört eine hinreichende körperliche und emotionale Stabilität des Kindes;

Die unersetzliche Spielphase muss zum größten Teil abgeschlossen sein, so dass das Kind jetzt in der Lage ist, regelmäßige Pflichten auf sich zu nehmen;

Das Kind muss in der Lage sein, seinen spontanen Bewegungsdrang zu steuern und sich der Schuldisziplin unterzuordnen;

Das phantasie- und realitätsbezogene Denken und Handeln des Kindes müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Durch unsere differenzierten Beobachtungen der Kinder, die wir das ganze Jahr über schriftlich festhalten, haben wir einen guten Überblick über den jeweiligen Entwicklungsstand des einzelnen Kindes und können bei Bedarf gezielt fördern.
Vorbereitung auf die Schule

Viele Fragen, die uns gestellt werden, betreffen das Thema Vorbereitung auf die Schule. Einige Fragen sind sicherlich schon mit den vorangegangenen Ausführungen beantwortet. Auf einige Stichworte gehen wir hier noch gesondert ein:
Ihre Feinmotorik üben Kinder wunderbar, indem sie kleine Basteleien aus Tannennadeln, Zapfen und Blättern herstellen, aus Grashalmen filigranes Flechtwerk herstellen oder mit dem Schnitzmesser arbeiten. Unserer Ansicht nach muss jedoch erst die Grobmotorik richtig ausgelebt werden, damit die Feinmotorik geübt werden kann.
Das Stillsitzen üben Kinder nicht auf Stühlen! Wenn Kinder begeistert und kindgerecht gefordert werden, bleiben sie fast von alleine still sitzen. Im Morgenkreis, bei Geschichten und Theaterstücken, beim Frühstück bleiben die Kinder –je nach Witterung- bis zu 30 min. sitzen.
Farben und Formen erleben die Kinder im Jahreszeitenlauf. Welche Farbe hat das Blatt? Wie sieht diese Blume aus? Welche Form hat die Eichel, die Kastanie, der Zapfen?
Zahlen begegnen uns z.B. im Morgenkreis. Wie viele Kinder sind da? Wie viele fehlen? Wie viele Kastanien passen in den Eimer? Hol bitte mal 5 Sitzmatten…..
Sprache ausprobieren, vor der ganzen Gruppe sprechen, eine Geschichte nacherzählen, Lieder singen, Verse lernen werden speziell im Morgen- und Abschlusskreis geübt.
Balanciert wird auf jedem gefällten Baum, manchmal sogar rückwärts.
Eigenverantwortlichkeit: den Rucksack alleine aus- und einräumen, die Handschuhe und Kleidungsstücke nicht im Wald liegen lassen, benutztes Werkzeug zurückbringen gehört zu den täglichen Aufgaben.

 

Konkrete Umsetzung der Pädagogik im Waldkindergarten „Hämi-Waldwichtel“

Die pädagogische Arbeit

Unser Gruppenraum ist der Wald. Er ist riesengroß. Er ist voller Bewegungsfreiheit, voller stiller Winkel, voller Licht und Schatten, Weite und Enge, voller Geräusche und Ruhe. Den Fantasien und Träumen, dem kindlichen Forschungsdrang und Wissensdurst bietet der Wald schier unbegrenzten Raum und eine Fülle gänzlich unstrukturierter Materialien, die es zulassen, der eigenen Kreativität völlig freien Lauf zu lassen.
Wir gehen jeden Tag das ganze Jahr hindurch in den Wald. So können die Kinder mit allen Sinnen den Wald, das Wetter und die Jahreszeiten erleben. Im Wechsel der Jahreszeiten und der sich ständig ändernden Wetterbedingungen stellt sich der Wald jeden Tag etwas anders dar und doch ist es immer der selbe Wald.
Kinder, die zu ihrer gesunden Entwicklung einerseits Beständigkeit brauchen, um sich sicher und geborgen zu fühlen, benötigen aber andererseits auch eine Umgebung, die ihnen Anreize und Herausforderungen bietet, sich immer wieder selbst zu erproben und ihre Fähigkeiten zu trainieren, ihrem Forscherdrang nachzugehen und ihre Wahrnehmung zu entwickeln und zu intensivieren.
Wir glauben, dass der Wald die optimale Umgebung ist, in welcher Kinder alles vorfinden, was für ihre Entwicklung und die Entfaltung eines positiven Selbstbewusstseins nötig ist. Der Aufenthalt an der frischen Luft mit sehr viel Bewegung stärkt außerdem die körperliche Kondition und gesundheitliche Konstitution.
Während des Aufenthalts und der Beschäftigungen im Freien lernen die Kinder natürliche Gesetzmäßigkeiten intensiv und in ganzheitlich-elementarer Form kennen und werden so eine starke Beziehung zu ihrer natürlichen Lebensgrundlage eingehen können. Als Erzieherinnen einer Waldkindergartengruppe sehen wir unsere Aufgaben darin, die Kinder in ihren selbstgewählten Aktionen zu begleiten und sie bei Bedarf zu unterstützen. Unser Ziel ist es den Kindern so viel Zeit und Raum wie möglich einzurichten, in welcher sie über ihre Beschäftigungen und Spielkameraden selbst bestimmen können.
Der Tagesablauf

Für angeleitete Aktivitäten und Gruppenspiele nutzen wir z.B. den Morgenkreis. Indem wir jeden Morgen gemeinsam überlegen ob ein Kind fehlt, wollen wir bei den Kindern die Wahrnehmung für die Gruppe und den Einzelnen als Teil dieser Gruppe schulen. So ist auch das Zählen der anwesenden Kinder, das immer von einem Kind durchgeführt wird, als Übung zu verstehen, für das Zählen an sich und die Verknüpfung von Größenordnungen mit Zahlen.
Mit unseren Fingerspielen, Zungenspielen, Geschichten, Gedichten und Rätseln trainieren wir die Entwicklung der Fein- und Mundmotorik, aber auch das Stillsitzen und Zuhören, sowie die Grundlagen zur Sprachentwicklung.
An jedem Tag darf ein anderes Kind das Eröffnungsspiel, den Tischspruch und das Abschlusslied benennen. So kann jedes Kind einmal die Rolle als Bestimmer genießen und die anderen müssen dessen Entscheidungen akzeptieren. Auch dies ist ein wichtiger Bestandteil der vielen anderen Möglichkeiten im Waldkindergarten zur Aneignung und Übung sozialer Kompetenzen. Mit unserem Begrüßungsspiel, -lied, oder –tanz heißen wir jedes Kind namentlich willkommen. Das gemeinsame Singen und Tanzen stimmt die Kinder auf das Kindergartengeschehen ein.
Wenn wir anschließend Beratungen über unseren Tagesplatz abhalten, geben wir jedem Kind die Möglichkeit seine Wünsche und Vorstellungen einzubringen, und wir regen sie dazu an, ihre Bedürfnisse zu artikulieren (Sprachförderung). Die Entscheidungsfindung verläuft in der Regel durch Mehrheitsbeschluss, dass heißt: neben dem Zählen und Erkennen von Mengenverhältnissen, üben wir grundsätzliches demokratisches Verhalten.
Wenn wir zu unserem Tagesplatz aufbrechen ist jedes Kind für seinen Rucksack verantwortlich. Sollte es Schwierigkeiten beim Aufsetzten haben kann es sich bei den Erwachsenen oder bei anderen Kindern Hilfe erbitten. Selbstständigkeit und Selbstverantwortung, sowie der sachgerechte Umgang mit dem Eigentum und mit wichtigen Gebrauchsgegenständen werden hier geübt.
Schließlich machen wir uns von Haltepunkt zu Haltepunkt auf den Weg zu unserem Tagesplatz. Hier wird vor allem der Orientierungssinn der Kinder angesprochen. Immer wieder wird beraten: geht es jetzt schon links ab, oder erst dahinten? Häufig entstehen richtige kleine Diskussionen, an denen sich jedes Kind nach Kräften beteiligt. Meistens haben hier die älteren Kinder das letzte Wort, denn sie kennen sich schließlich am Besten aus. Ganz nebenbei fördern diese Vorgänge die Ich-Stärke und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Auch werden schon so manche Entdeckungen gemacht. – Gestern war der große Ahornbaum noch voller Blätter, heute liegen sie fast alle unten auf dem Weg. – Fragen werden formuliert, wie z. B.: „brennen die abgemähten Brennnesseln wohl auch, wenn ich sie berühre?“ Ein Kind äußert die Frage, Nachdenkliche steuern erste Überlegungen bei, Mutige strecken die Hand aus und probieren es aus, Zögerliche schauen zu und machen es eventuell nach. Das Ergebnis spricht sich auf jeden Fall herum. Hier wird in ganzheitlicher Weise Sachwissen angeeignet im Zusammenhang mit sinnlichem Erleben aber auch Gefühlen (traue ich mich, die Brennnessel zu berühren, oder nicht) und Gruppenbezogenheit.
Fragestellungen und Problemstellungen werden nicht von uns Erwachsenen kreiert, sondern ergeben sich bei den Kindern, als Folge ihrer Wahrnehmung der Umwelt. Bei deren Beantwortung stehen wir ihnen mit Rat und Tat sowie Sachliteratur und weiteren Materialien zur Seite.
Hier kann es passieren, dass sich ein bestimmtes Interesse über einen längeren Zeitraum hält und manchmal sogar die ganze Gruppe erreicht. In dieser Situation stellen wir Erzieherinnen uns ganz auf die Bedürfnisse der Kinder ein, indem wir sie mit ergänzenden Materialien versorgen, zum Thema passende Literatur beschaffen, Spiele, Lieder und andere themenbezogene Aktivitäten anregen, evtl. einen Ausflug o.ä. organisieren. Das Bearbeiten eines Themenbereichs über einen längeren Zeitraum verhilft den Kindern zu Sachwissen und erleichtert ihnen die Entwicklung von fantasiedominierten Weltanschauungen zu mehr und mehr Realitätsbezogenheit.
Der nächste Fixpunkt unseres gemeinsamen Vormittages bildet das Frühstück. Wenn die Flöte ruft wissen die Kinder, dass nun Frühstückszeit ist. Jeder holt seinen Rucksack, sucht sich einen Platz auf der Frühstücksplane und holt seinen Waschlappen sowie sein Essen und Trinken heraus. Der Waschlappen wird mit warmem Wasser getränkt und es wird darauf geachtet, dass die Hände gründlich gereinigt werden. Diese Vorgänge gehören zum täglichen Frühstücksritual, wie auch der Tischspruch, der erst gesprochen wird wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind und jedes Kind sauber ist, bequem sitzt und alle sonstigen Gespräche verstummt sind. Nicht nur aus praktischen Gründen frühstücken wir alle gleichzeitig, sondern wir praktizieren damit auch eine Esskultur, die heute in den Familien immer seltener anzutreffen ist. Das Essen in großer Runde (wir sitzen im Kreis, jeder kann jeden sehen) macht Spaß, man kann Tischgespräche führen, man kann sehen was andere mitgebracht haben, die ganze Gruppe kommt zur Ruhe und wird nicht durch andere herumtollende Kinder abgelenkt. Mit dem Waschlappen reinigen wir nicht nur die Hände, wir bauen mit dieser Tätigkeit auch ein Hygienebewusstsein auf.
Wer sich satt gegessen hat darf seine Dosen und Trinkflaschen wieder einpacken und spielen gehen. Die Kinder sorgen wiederum selbst für ihre persönlichen Sachen und lernen ihr Bedürfnis nach Essen und Trinken zu regulieren. Jeder bekommt soviel Zeit zum Essen wie er braucht. Anschließend können alle Kinder wieder körperlich und geistig gestärkt ihrem Bewegungsdrang, ihrer Sammelleidenschaft, ihrem Forschungs- und Experimentierbedürfnis, ihrem Rollenspiel, ihren Bau- und Konstruktionsvorhaben oder ihrer Lust am Flechten, Fädeln und Knoten etc. nachgehen.
Einmal in der Woche gibt es einen Probiertag. Die Erzieherinnen bringen beispielsweise Kräuterquark und Vollkornbrot mit, wovon die Kinder kosten dürfen. Hier wollen wir in spielerischer Atmosphäre ohne Erwartungsdruck den Kindern ermöglichen mal etwas zu versuchen, was sie von zu Hause vielleicht nicht kennen oder bisher verschmäht haben. Manchmal stehen diese Probiertage auch in direktem Zusammenhang mit einem Thema, welches gerade bearbeitet wird. Die Kinder werden neugierig und lassen sich auch von der Begeisterung anderer anstecken. Sie erleben aber auch, dass die Geschmäcker ganz verschieden sein können und was für den einen eine Leckerei darstellt ist für den anderen ungenießbar.
In der verbleibenden Zeit zwischen Frühstück und Aufbruch bieten wir den Kindern, neben dem so genannten Freispiel auch angeleitete Angebote. Hier wird gemalt, gebastelt, gewerkelt oder vorgelesen. Es können aber auch Aufgaben sein, wie das Suchen einer Astgabel oder besonderer Blätter etc, welche wir zur Weiterverarbeitung benötigen. Mit diesen gezielten Angeboten ermöglichen wir den Kindern z. B. ihre Feinmotorik, ihr ästhetisches Empfinden und den Umgang mit Schere und Stift sowie anderen Werkzeugen zu üben. Ferner wird ihr Blick für ganz bestimmte Formen geschärft. Sie lernen die Dinge, die sie umgeben stärker zu differenzieren. Auch macht es die Kinder stolz gestellte Aufgaben zu bewältigen und das stärkt ihr Selbstvertrauen.Die Teilnahme an Angeboten ist bis auf wenige Ausnahmen freiwillig. Fertigen wir z.B. unsere Laternen oder das Osternest, achten wir darauf, dass jedes Kind teilnimmt.
Den Schwerpunkt in unserem Tagesablauf aber bildet das Freispiel. Uns ist dabei wichtig, dass die Kinder lernen ihre Zeit selbst zu gestalten, ihre Beschäftigungen und Spielkameraden aktiv zu organisieren und auch gelegentlich auftretende Konflikte selbstständig zu lösen. Denn dank zahlreicher Untersuchungen und neuerer Erkenntnisse in der Entwicklungsspychologie wissen wir, dass Kinder sich ihre Lernsituationen selbst kreieren, indem sie ihren Erfahrungsschatz stetig erweitern und überprüfen. Hier hat jedes Kind eigene Voraussetzungen und individuelle Bedürfnisse. Und jedes Kind braucht für seine spezielle Situation eine Atmosphäre der Geborgenheit und Sicherheit, sowie Zeit und Ruhe, damit es nicht abgelenkt oder unterbrochen wird in seiner Tätigkeit. Konzentrationsfähigkeit und Kreativität wollen wir damit den größt möglichen Raum verleihen.
In dieser Phase sind wir Erzieherinnen mit unserer ganzen Aufmerksamkeit bei den Kindern. Wir hören gern zu und führen nicht selten intensive Gespräche in vertrauensvoller Gemeinsamkeit. Außerdem halten wir während dieser Phase unsere Beobachtungen fest, führen Protokolle und machen uns ein Bild über die Entwicklungssituation einzelner Kinder. Diese Beobachtungen dienen u.a. dazu Themen zu ermitteln, die Einzelne oder vielleicht auch einen großen Teil der Gruppe betreffen, wonach wir wiederum unsere Angebote möglichst passend auf die Gruppensituation gestalten. Wenn z. B. in mehreren Familien kleine Geschwister erwartet werden, oder wenn die Kinder immer wieder ganz faszinierende Pilze entdecken, heißt das für uns Erzieherinnen, dass wir uns mit entsprechender Literatur, Spielen und Bestimmungskarten auf diese Situationen einstellen. Diese Arbeitsweise ermöglicht es uns die Kinder mit ihren aktuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken. Spontaneität und Flexibilität, sowie die ständige Aufmerksamkeit für die Impulse und Belange der Kinder ermöglichen es uns, unsere Arbeit ganz nah an der aktuellen Bedürfnissituation der Kinder zu gestalten. Uns gefällt in diesem Zusammenhang der Begriff Lebensorientiertheit. Denn die Voraussetzung für Bildungsprozesse im Kindergartenalter ist ein elementares Interesse der Kinder an den zu vermittelnden Inhalten und Zusammenhängen. Das heißt: emotionale, soziale, motorische und kognitive Entwicklungsbereiche sind zumeist gleichzeitig in unterschiedlicher Stärke an diesen Prozessen beteiligt.
Wenn die Flöte schließlich zum dritten Mal ruft, wissen die Kinder, dass es nun Zeit ist die Rucksäcke aufzuschnallen und sich zum Abschlusskreis zu versammeln. Ein Abschlusslied wird gesungen und müde und erschöpft aber zufrieden begeben wir uns alle auf den Rückweg. Nur am Freitag ist es anders. Da ist nämlich Geschichtentag. Noch einmal machen wir es uns auf der Decke bequem. Im Winter zünden wir eine Kerze an und dann wird eine Geschichte vorgelesen oder erzählt, die zur Jahreszeit oder zum aktuellen Thema passt. Hier kann es sich auch mal um eine Fortsetzungsgeschichte handeln. Die Kinder erinnern sich meist noch gut an das Vorgelesene der letzten Woche, können davon berichten und sind schon sehr auf die Fortsetzung gespannt. Auch hier werden die Grundlagen der Sprachentwicklung spielerisch gefördert. Die Kinder lernen sich zu erinnern und Zusammenhänge zu den aktuellen Geschichten oder Thmen zu knüpfen. Ihre Vorstellungskraft und die für die Sprachentwicklung wichtige Begriffsbildung werden geschult. Das wichtigste jedoch ist die Freude an Büchern und Geschichten zu wecken. Manchmal dürfen die Kinder eine Geschichte auch mit Figuren nachspielen. Das trainiert die Fähigkeit Gehörtes zu erfassen und aktiv umzusetzen. Es erfordert Mut eine solche Aufgabe anzunehmen, gibt aber auch die Chance Applaus und Bewunderung zu ernten. Wieder eine Möglichkeit den eigenen Erfahrungsschatz bezüglich der sozialen Fähigkeiten zu erweitern.
Zurück am Bauwagen setzen wir uns noch ein letztes mal gemeinsam in den Stuhlkreis. Wichtige Dinge werden besprochen und eventuelle Ankündigungen für den nächsten Tag erörtert. Oft ist noch Zeit für ein Kreisspiel (Förderung der Wahrnehmungsfähigkeiten) oder ein Lied. Dann verabschieden wir uns für den heutigen Tag: „Auf Wiedersehen bis morgen früh um acht, wenn die Sonne wieder lacht.“

Ganzheitliche Sprachförderung aller Kindergartenkinder

Der Wald bietet für die Kinder einen riesigen, sich oft wandelnden Erfahrungs- und Erlebnisraum, der die Kinder immer wieder zum Sprechen und aktiven Zuhören anregt. Der Reichtum und die Vielgestaltigkeit an sinnlichen Eindrücken, die beim Spielen, Bauen, Entdecken und Beobachten von den Kindern aufgenommen werden, bietet den Kindern immer wieder neue Sprechanlässe und fordert sie auf natürliche Weise zum Sprechen auf. Zur Erweiterung und Ergänzung finden neben den freien Sprechaktivitäten der Kinder auch angeleitete Sprachangebote statt, die die folgenden Zielsetzungen verfolgen:
· Erweiterung des Wortschatzes und der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit

· Interesse, Neugier und Freude am Umgang mit der gesprochenen und geschriebenen Sprache wecken und erhalten

· Fähigkeit des aktiven Zuhörens verbessern

· Förderung der Kommunikationsbereitschaft und –fähigkeit

· das Gefühl für Sprache weiterentwickeln und die Wahrnehmung sprachlicher Phänomene/ Einheiten (z. B. Reim, Silbe, Wort, Laute)verbessern
Die Sprachförderung bildet einen festen Bestandteil im Waldkindergartentag und wird kontinuierlich in jedem Kindergartenjahr verfolgt. Dieser regelmäßige spielerische Umgang mit Sprache trägt zu einer positiven Sprachentwicklung, zu einem erweiterten Sprachgefühl und maßgeblich zu Freude und Interesse am Sprachgebrauch bei. Unser Anliegen ist es, die Kinder auch im sprachlichen Bereich ganzheitlich zu fördern, und dabei sowohl die geistige, emotionale und körperliche Ebene der Kinder zu berücksichtigen. Daher umfasst die sprachliche Förderung auch eine Vielzahl von Sprachaktivitäten und sprachlichen Handlungsfeldern, wie z. B.:
· Bilderbücher, Geschichten und Märchen

· Lieder

· Gedichte und Sprüche

· Rollenspiele

· Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Fingerspiele

· Sprachspiele mit den Sinnen

· Atem- und Entspannungsspiele

Würzburger Sprachprogramm

Das Würzburger Trainingsprogramm ist ein Programm zur Entwicklung und Verbesserung der phonologischen Bewusstheit. Die phonologische Bewusstheit, also das Erkennen, Heraushören und Bilden von sprachlichen Einheiten (An- und Endlaute, Silben, Reime u. a.) stellt eine wichtige Fähigkeit zum Erlernen des Lesens und Schreibens dar und erleichtert den Schulanfängern den Schriftspracherwerb.

„Die Ergebnisse zahlreicher psychologischer und pädagogischer Studien belegen, dass sprachliche (phonologische) Bewusstheit eine sehr wichtige Voraussetzung zum problemlosen Lesen- und Schreibenlernen ist und dass entsprechend geförderte Kinder im Vergleich zu nicht geförderten bis weit in die Grundschulzeit hinein von einem Trainingsprogramm profitieren.“ (Küspert,P. / Schneider, W.: Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache. S.21)

Um die zukünftigen Schulanfänger gut und gezielt auf die sprachlichen Anforderungen der Grundschule vorzubereiten und ihnen zusätzliche (sprachliche) Herausforderungen zu bieten, erhalten diese Kinder, etwa vier Monate vor dem Ende ihrer Kindergartenzeit, eine zusätzliche Sprachförderung. Grundlage unserer Sprachförderung bilden v. a. Übungsbausteine des Würzburger Programms, die von den Erzieherinnen nach den besonderen Erfordernissen der Gruppe ausgewählt und zusammengestellt werden. Die Sprachspiele und –übungen werden 4-5 Mal wöchentlich für jeweils 10-15 Minuten von einer Erzieherin mit der Gruppe der Vorschulkinder durchgeführt.

Zur Gestaltung und Durchführung von Projekten im Waldkindergarten

Projekten kommt in der Schulpädagogik und Kindergartenpädagogik zunehmend eine große Bedeutung zu. Neben den regelmäßig den Tagesablauf gestaltenden und rhythmisierenden Aktivitäten (Morgenkreis, Tagesangebote, Freispiel, Frühstück), bereichern Projekte das Waldkindergartenjahr. Mindestens zweimal im Jahr finden Projekte statt, bei denen die Kinder sich über einen längeren Zeitraum, von i.d.R. mehreren Wochen vertieft mit einer sie interessierenden Sache / einem Thema befassen können. Die Integration von Projekten in den Waldkindergartenalltag ist uns wichtig, da das Lernen in Projekten von hoher pädagogischer Qualität ist, und die Kinder neue Erfahrungen und Erkenntnisse sammeln oder bereits gemachte Erfahrungen vertiefen können. Damit fördern und fordern Projekte eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung. Projekte sind u.a. durch folgende positive Aspekte, die sich mit unseren pädagogischen Zielperspektiven und Prinzipien decken, gekennzeichnet:

· Lernen findet ganzheitlich statt, also mit Kopf, Herz und Hand > Kinder erwerben kognitive, sozial-emotionale und praktische Kompetenz

· starke Berücksichtigung der Kinderinteressen

· orientieren sich an der Lebenswelt der Kinder und haben einen hohen Situationsbezug

· Kinder lernen mit vielen Sinneskanälen und damit intensiver und nachhaltiger

· Ausbildung von Phantasie und kreativen Fertigkeiten

· Praxisorientiert, d.h. die Aktivitäten enthalten einen hohen praktischen Anteil

· Fähigkeiten des selbständigen und selbstorganisierten Arbeitens werden gefordert und gefördert

· Entwicklung und Verstärkung von Forscherdrang, Neugier, Ausdauer und Lernmotivation
Bei Projekten können sich die Kinder gemäß ihren Fähigkeiten, Interessen und Begabungen einbringen und erste, auch im Hinblick auf die Schule, wichtige Arbeitsweisen ( z.B. Fragen und Vermutungen formulieren, Beobachten, Entdecken, Experimentieren, Ergebnisse vorstellen ) und Schlüsselkompetenzen (Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, Kreativität, Selbständigkeit ) entwickeln.

Der Wald bietet für die Umsetzung von Projekten mit Naturthemen einen idealen Erfahrungs- und Lernraum, da Tiere, Pflanzen, Naturgegenstände und –prozesse unmittelbar und direkt vor Ort erfahren, betrachtet, beobachtet, erkundet und begriffen werden können. Darüber hinaus haben die Waldkindergartenkinder die Möglichkeit, in Projekten andere Lebensbereiche genauer kennen zu lernen(wie z.B. Berufswelt >Polizei, Arzt ) und ihren Erfahrungshorizont zu erweitern.

Ein weiterer großer Vorteil von Projekten besteht in dem großen Spektrum an vielseitigen und abwechslungsreichen Arbeitsmethoden und Aktivitäten, wie z.B. Geschichten, Singen, Malen, Basteln, Rollenspiele, Experimente, Erforschen, Sammeln.

Projektanlässe entstehen oftmals aus aktuellen Situationen (z.B. ein Kind entdeckt einen Frosch, eine Kindergartenmutter bekommt ein Kind ), aus den Interessen, Fragen und Ideen der Kinder, oder entwickeln sich aus Anregungen der Erzieherinnen.

Je nach Projektthema bietet es sich auch an, Ausflüge und Besichtigungen mit den Kindern zu machen.